Konzert: Kamasi Washington (De Oosterpoort/Groningen – 26.04.25)

Jazztage, die Dritte. Ausflug zu Zweit mit der lieben Ehefrau ins wunderschöne Groningen. Zu Kamasi Washington. Dass ich diesen Meister irgendwann mal live sehen würde, hatte ich nicht gedacht. Doch dann kam er auf Europa-Tournee. Leider nicht nach Bremen, aber in das mit dem Auto zwei Stunden entfernte, niederländische Groningen. Also schon letztes Jahr Konzertkarten gekauft, Hotel gebucht und die Oma als Babysitterin verpflichtet. Und es hat sich mehr als gelohnt.

Was wir nicht wussten: Der 26. April war der Koningsdag. An diesem Tag feiern die Niederländer den Geburtstag des Königs Willem-Alexander am 27. April. Und wenn der auf einen Sonntag fällt, dann wird er ab 26. April gefeiert. Und das war in diesem Jahr der Fall. Die Folge: Eine Stadt im orangenen Ausnahmezustand. Menschenmassen überall (leider auch einige betrunkene Gruppen mit jungen Deutschen dabei, u.a. in unserem Hotel). Teilweise gab es in der Stadt kaum ein Durchkommen.

Und es gab einen gewaltigen, privaten Flohmarkt rund um die Innenstadt herum. So etwas Riesiges habe ich noch nie gesehen. Dort stoplerte ich auch über einen kleinen Stand, wo eine ältere Dame Platten anbot. Ich nahm die „Duke“ von Genesis (blöderweise mit einem fetten und schlecht mit Packtape geklebten Riß auf der Rückfront, den ich tatsächlich im Eifer des Gefechts für Artwork hielt – wie peinlich) und die „Cordon Blue“ von Solution mit. Da in der ganzen Stadt Hunderte Events und Parties stattfanden, verkauften sich Konzertkarten für diesen Tag scheinbar nicht so gut – denn das Kamasi Washington-Konzert wurde vom Großen in den Kleinen Saal verlegt.

Dort angekommen befürchteten wir erst, dass es auch recht leer werden würde. Anderseits half uns die anfangs herrschende Leere aber auch, perfekte Sitzplätze zu ergattern. Und nach und nach füllte es sich dann doch sehr gut und einem Meister wie Kamasi angemessen.

Kamasi Washington ist jemand, auf den sich vielleicht auch die einigen können, die mit Jazz nicht viel am Hut haben. Und dies, ohne die Komplexität und Seele seiner Musik zu verraten. Im Gegenteil, er ist ein großer Vereiner unterschiedlicher afroamerikanischer Stile, um daraus eine moderne Spielart des Jazz zu formen.

Ich kann z.B. nicht viel mit Hip Hop anfangen, aber wenn Kamasi dies in seine Musik einbindet, dann reißt es auch mich mit. Soul und Funk sind auch dabei. Und es ist unfassbar, wie er alles in epische Groovemonster packt, die sofort ins Ohr und in die Seele gehen. Teilweise hatte ich Tränen vor Glück in den Augen.

Kamasis Saxophon-Spiel ist von extrem hohen Wiedererkennungswert. Aber auch seine Mitmusiker sind überirdisch gut. Was die aus ihren Instrumenten rausholen, kann man kaum glauben. Jeder ein Virtuose. Dass der ältere Herr neben ihm, der Saxophon und Flüte spielte, sein Vater Rickey Washington war, habe ich aber erst nach dem Konzert realisiert.

Sonst noch dabei: Keyboarder Brandon Coleman und Drummer Tony Austin, die beide auch fantastische Soli lieferten und unfassbar brillant waren. DJ Battlecat bediente die Turntables und machte auch etwas Percussion. Den Bass von Ben Williams fand ich im Mix etwas zu dominant und aufdringlich. Aber das schien wirklich an der Abmischung zu liegen. Einmal kam ein Techniker auf die Bühne und fummelte was an der Box hinter ihm. Da wurde es besser.

Die grandiose Sängerin Patrice Quinn liefert schließlich das letzte i-Tüpfelchen auf dieser brandheissen Mischung. Zudem ist Kamasi ein wunderbarer, tiefsinniger und humorvoller Entertainer, der gerne Geschichte erzählt und dem man dabei gerne zuhört.

Förmlich betäubt von großen Gefühlen wurden wir nach über zwei Stunden wieder in die warme Groninger Frühlingsnacht entlassen, wo meine ansonsten immer sehr kritische Frau meinte, dies wäre wahrscheinlich das beste Konzert gewesen, welches sie jemals erlebt hätte. Wunderbar!

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