Für mich war das der Beginn von drei Tagen voller Jazz in Bremen und Anderswo. Begonnen hat haben meine „Jazz-Festspiele“ mit den Abendshowcases der Jazzahead. Die Jazzahead ist für mich zusammen mit dem Überseefestival im Herbst die wichtigste jährliche Musikveranstaltung in Bremen. Im letzte Jahr kollidierte sie leider mit dem Bremer Filmfest, weshalb ich dort nur einen Tag dabei sein konnte. Dieses Jahr waren es dann wieder zwei Tage. Beginnend mit den Showcases am Donnerstag. Diese finden immer abwechselnd in der Halle 7 und im Kulturzentrum Schlachthof statt. D.h. man muss nach jedem Act die Location wechseln. Mehr dazu weiter unten. Nun erst einmal zur Musik.
Von „Schubert Now!“ hatte ich nichts erwartet und wurde komplett umgeblasen. Das ungarische Trio interpretiert Schubert-Lieder mit Harfe und Elektronik. Das wummert, das groovt, das wirkt oftmals bedrohlich und kreiert eine ganz besondere, dichte Stimmung. Ungewöhnlich und unfassbar toll. Habe ich so noch nie erlebt. Muss man unbedingt live hören, denn auf CD kommt die ganze Wucht der Musik und des Gesangs nur teilweise rüber.




Louis Matute Large Ensemble aus der Schweiz war der große Star des Abends. Louis Matute hatte bereits bei der großen Eröffnungs-Gala gespielt und war daher medial in aller Munde. Aber der traditionelle Contemporary Jazz mit Latin-Einschlägen war zwar gut und sauber, mir aber etwas zu konventionell. Gerade nach dem Wahnsinn von „Schubert Now!“.




Das Benjamin Jephat Sextet aus Südafrika machte viel Spaß, klang mir aber einen Tick zu europäisch. Auch wenn tolle afrikanische Rhythmen eingewoben wurden. Vom Bandleader Jephat gab es auch immer wieder interessante und wichtige Ansagen zum Hitnergrund der Band und der politischen Situation in Südafrika.



Shalosh aus Israel waren dann sensationell! Spielfreude pur, ungewöhnliche Spielweise, teilweise sogar rockig. Das Trio versprühte eine wahnsinnig positive Energie. Der Funke sprang über, das Publikum sang aus ganzem Herzen mit und so jagte ein Gänsehaut-Moment den nächsten. Auch hier können die Studioaufnahmen nicht ganz mit der Kraft und Kreativität des Live-Gigs mithalten. Völlig beseelt ging es dann zum letzten Act.






Monsieur Mala aus Frankreich verbreiteten gute Stimmung, legten eine tolle Show hin und verbanden Jazz, Pop, Rock, Gypsy, Techno und Folklore zu einem überzeugenden Ganzen. Auch hier gab es viel Interaktion mit dem euphorisierten Publikum, welches noch lange nach dem Auftritt das letzte Lied mitsummte. Ein gelungener Abschluss einem tollen Abends auf der Jazzahead.






Allerdings gibt es auch ein paar Kritikpunkte. Das ständige Rennen von der geräumigen Halle 7 in den immer völlig überfüllten Schlachthof und zurück nervte wieder kollosal. Auch, weil vor dem Eingang des Schlachthofes ein Catering aufgebaut ist, wodurch das Durchkommen durch die speisenden und trinkenden Menschenmassen immens erschwert wird.
Da im Schlachthof auch sehr viel weniger Plätze zur Verfügung stehen als in der Halle 7, brechen viele auch vor dem Ende der Auftritte in der Halle 7 auf, um einen guten Platz zu ergattern. Das nervt auch. Wäre alles nur in der Halle 7 oder nur im Schlachthof, dann wäre alles sehr viel entspannter.
Was ich auch wieder zu spüren bekommen habe, war die Zweiteilung: Messebesucher/“normale Leute“. Obwohl die Tickets nun wirklich nicht ganz billig sind, kommt an sich als ordinärer Konzertbesucher oft vor wie zweite Klasse.
Dass große Bereiche für Nicht-Messebesucher gesperrt sind, ärgerlich aber noch nachvollziehbar. Dass der tolle Stand mit Schallplatten in dem Bereich ist, wo man nur mit Ticket hinkommt – ungünstig. Hätte da gerne ein wenig mehr mitgenommen, aber auch keine Lust gehabt, dass dann den ganzen Abend mitzuschleppen. Und am nächsten Tag hin ging da ja ohne nochmaligen Ticketkauf nicht.
Was mich aber am Meisten geärgert hat war, dass bei einem Act von der Band vollmundig angekündigt wurde, man könne sich beim Ausgang gerne eine CD mitnehmen. Das galt dann aber auch nur für Messebesucher, die dort im Gegenzug ihre Visitenkarten lassen sollten. Da ich noch eine uralte, komplett abgeranzte Visitenkarte meines Arbeitgebers im Portemoine hatte, bin ich so an eine dieser Frei-CDs gekommen. Und hatte noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen.
Trotzdem finde ich, man muss seine „normalen“ Jazz-liebenden Besucher nicht ständig spüren lassen, dass sie „nicht dazugehören“. Auch wenn sie – wie ich immer wieder an den vielen, vielen Akkreditierungsbadges sehen konnte – zu der Minderheit gehören.
Ausbeute: 2 CDs gekauft, eine LP gekauft, eine CD „abgestaubt“:
