Die Herbstferien nutzte unsere Familie, um drei Tage in Groningen zu verbringen. Schön war es. Studentenstadt durch und durch. Sehr viele kulturelle Angebote, und in der Stadt hatte man das Gefühl, der Altersdurchschnitt läge bei um die 40 Jahre. Zu dem ganzen Flair der Stadt gehört auch, dass es hier direkt im Zentrum mindestens 5 Plattenläden in Fußlaufweite gibt. Drei habe ich besucht. Zwei hatten geschlossen, als ich vor der Tür stand (obwohl der Zweiten laut Google UND Schild an der Tür EIGENTLICH noch eine halbe Stunde hätte auf sein sollen).
Da ich mich mit niederländischen Jazz so gut wie gar nicht auskenne und auch die dortige Rockszene nicht wirklich gut kannte (außer Golden Earring und Shocking Blue), habe ich mir im Vorfeld diverse entsprechende Playlists auf Spotify angehört und das Internet nach Infos durchsucht, um mir zumindest so einige Namen mal aufzuschreiben.
Was Jazz angeht habe ich aber bis auf Hans (Papa von Candy) Dulfer und Ronald Snijders auch nicht viel gefunden. Und die Platten von denen waren dann später in den Läden auch entweder gar nicht oder nur zu unfassbaren Preisen zu haben. So war es ein halber Blindflug, da ich im Ausland ja gerne „einheimische Ware“ mitnehme und nicht das, was man auch hier überall bekommt. Ausnahmen bestätigen die Regel.
Klinkhamer Antieks & Curiosa
Folkingestraat 50, 9711 JZ Groningen, Niederlande
Ein hoffnungslos an allem möglichen Zeugs überquellender Antiquitätenladen, bei dem erst Kisten mit recht unterinteressanten Vinyl-Zeugs herumstehen, sich dann in einer Ecke ganz hinten auch eine sehr feine Abteilung mit gebrauchten Schallplatten befindet. Preise von 8 Euro bis 180 (war die teuerste, die ich gesehen hatte – eine von Hans Dulfer, die ich auch gerne gehabt hätte). Eigene Fächer für „Dutch Prog“ und „Dutch Jazz“. Schon eine besondere Atmosphäre und die Platten alle in gutem Zustand. Die eine von mir gekaufte Ekseption ist leider nur eine Compilation, und nicht wie ich dachte der Erstling nur mit holländischem Cover.
Plato
Oude Ebbingestraat 41, 9712 HB Groningen, Niederlande
Großer Laden, der überwiegend neue Platten hat. Hier eine riesige Auswahl an Rock/Pop. Aber auch Spezialabteilungen für Metal, Hip-Hop, Elektronik und in der Kelleretage Jazz, Funk und Ambient. Auch viele CDs. Preise für Neuware eher hoch. Unter 32 Euro ging da fast nichts.
Ich habe dann etwas versteckt noch die „Gebraucht“-Abteilung gefunden. Die war nicht so groß, aber gut sortiert. Es gab auch eine große „Grabbelkiste“, wo die Platten für 5 Euro ohne Schutzhülle standen. Da habe ich zwei Joe-Jackson-Platten „gerettet“. Im Nachhinein habe ich aber auch gesehen, dass dort seltsamerweise auch sehr viele essentielle niederländische Prog/Rock-Klassiker standen (und nicht im dafür eigentlich vorgesehen Fach). Da hätte ich locker noch weiter zuschlagen können, aber das habe ich erst bei der Recherche im Netz am Abend gesehen, und am nächsten Tag bin ich da leider nicht mehr hingekommen.
Swingmaster
Pelsterstraat 20, 9711 KL Groningen, Niederlande
Herrlicher Laden. Hatte beim ersten Versuch leider schon geschlossen, aber ich habe es am letzten Tag doch noch einmal dahin geschafft. Nur gebrauchte Platte mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Jazz. Es gab auch hier ein Fach „Dutch Jazz“ (die Sortierung war etwas eigenwillig, weil es einzelne Fächer für Labels, Stile Länder und Künstler gab – da wusste man teilweise nicht, wo man schauen sollte). Prog stand übrigens unter „Dutch Pop“.
Der Laden hat seinen ganz eigenen, vom Besitzer getragenen Charme. Der ist wahrscheinlich schon über 70, hatte seine Musik (Big-Band-Swing) laut aufgedreht und tanzte und summte so durch den Laden. Sehr netter Typ, der auch gerne hilft und mich daran als Deutschen erkannt hat, weil „Jaja, die Deutschen zahlen immer bar“. Wenn ich ihn richtig verstanden habe, hat er den laden schon seit 40 Jahren. Als ich die Platten bezahlt habe, machte er große Augen und meinte „A pretty wild mash!“.
Was daran lag, dass ich kaum Ahnung hatte, was ich da mitgenommen habe. Die Electric Hollers z.B. habe ich nur nach Name und Cover gekauft, dann aber später festgestellt, dass die unter „Dutch Jazz“ komplett falsch einsortiert hat, da es so Blues-Pills-mäßiger Heavy-Blues-Rock von 2020 ist. Auch die Pili-Pili habe ich so nach Gefühl gekauft ohne die zu kennen. Ist recht bekannter niederländischer Spät-80er-Afrojazz mit viel Synthesizer, den ich so noch nicht auf dem Zettel hatte.
Die Preise sind fair. Keine echten Schnäppchen, aber auch nichts, wo man erschrocken Schnappatmung bekommt.