Einmal im Jahr fahre ich aus familiären Gründen nach Warschau, wo wir immer so zwei bis drei Wochen bleiben. Früher war es mir dann immer eine riesige Freude, bei den zahlreichen Empiks (so etwas wie eine Mischung aus Thalia und Saturn) dort nach DVDs (Blu-rays gab es kaum bis gar nicht) polnischer Filme zu stöbern. Oftmals kam ich mit einem großen Fang wieder nach Hause. Denn das Ding war, dass man sonst auch keine Chance hatte diese Filme in Deutschland irgendwo zu sehen. Mit den Jahren wurden die Regalmeter für die DVDs immer kleiner bis sie fast gänzlich verschwunden waren. Darüber habe ich in meinem anderen Blog bereits vor zwei Jahren ausführlich geschrieben. Gleiches gilt leider auch für Musik-CDs. Im größten Empik, dem Flagship-Store an der Marszałkowska, gab es eine riesige Etage voll mit Filmen und Musik. Die Jazz/Klassik-Abteilung hatte sogar einen eigenen, mit großen Fenstern abgetrennten Bereich. Das war legendär und wurde z.B. von Steffen Möller in seinem schönen Buch „Viva Polonia“ festgehalten. Erst war der separate Bereich weg, dann die Filme, dann die Musik – heute auch der ganze Laden. Wie überhaupt die wirklich lohnenswerten Empik-Stores (wie der in der Nowy Świat, der im Untergeschoß eine tolle CD-Abteilung hatte) nicht mehr da sind. Dafür habe ich letztes Jahr bereits festgestellt, dass die Plattenläden im Kommen sind. Daher hatte ich mir für dieses Jahr vorgenommen einen ausgedehnten Shopping-Trip durch eben diese zu unternehmen. Alle habe ich nicht geschafft, aber hier mein Bericht zu denen, die ich geschafft habe. Natürlich mit nerdiger Präsentation der „Beute“.
Muzant
Warecka 4/6, 00-040 Warszawa
Den Laden hatte ich letztes Jahr entdeckt und nach meiner Tour durch die Plattenläden Warschaus ist und bleibt er mein absoluter Favorit. Sehr faire Preise, tolle Atmosphäre (wenn es dort auch arg nach Patschuli riecht und es keine Klimaanlage gibt), und ich finde da immer etwas. Es gab auch noch mehr Zappas in tollem Zustand zu sehr fairen Preisen, aber ich war eher auf einheimische Produkte aus. Wobei ich bei der Lalo Schifrin allein wegen der Disco-Version des Jaws-Themas nicht Nein sagen konnte.
Vinyl Tamka
w podwórzu, Chmielna 20, 00-020 Warszawa
Ein an sich sehr schöner, hübsch vollgestellter Laden, der scheinbar von einem Ehepaar betrieben wird. Sie war an der Kasse, er sortierte Platten ein. Alles sehr sympathisch – aber die Preise! Bei einigen dachte ich, okay, nicht ganz günstig, aber kann man trotzdem mal mitnehmen. Bis ich dann merkte, dass die Auszeichnung nicht in Zloty, sondern Euro (!) war. Und das war oftmals im dreistelligen Bereich. Z.B. auch für Platten aus der „Polish Jazz“-Serie, die ich bei Muzant für um die 100 Zloty (ca. 25 Euro) gesehen habe. Zugegeben, der Zustand sah fantastisch aus, aber ich war nicht bereit so viel Geld auszugeben. Dann gab es noch eine Wühlkiste für 30 Zloty (um die 8 Euro), aber die Platten steckten nicht in einer Schutzhülle, waren sehr „gelebt“ und auch nichts dabei, was man nicht auch in Deutschland (in dem Zustand) für weniger Geld bekommen könnte. Schweren Herzens bin ich also ohne Beute wieder raus.
Side One
Chmielna 21, 00-021 Warszawa
Sehr kleiner, gar winziger Laden. Man steht quasi gleich dem Verkäufer auf den Füßen, und ich denke mehr als eine Person im Laden wird schwierig. Ich war aber allein da und entdeckte die Alain Gorgauer, die ich tatsächlich auch gesucht habe, plus eine CD, die schon seit einem Jahr auf meiner Wunschliste stand. War also maximal erfolgreich. Preise sind keine Schnapper, aber okay. Nur Neuware und vor allem auf DJs ausgelegt. Der Verkäufer ignorierte mich erst und war lange am Telefonieren, aber als er dann auflegte, war er supernett und empfahl mir noch weitere Scheiben, die mir dann aber (leider) zu teuer waren.
Płayte Gramofonowe
Ząbkowska 11, 03-736 Warszawa
Feiner, aufgeräumter Laden auf der rechten Weichsel-Seite. Preislich recht hoch – gerade im direkten Vergleich zu Muzant. Verhältnis Neuwaren zu Gebraucht vielleicht 60:40. Mir gefiel der Laden, aber wie gesagt – nicht ganz billig, weshalb ich es bei einer Platte beließ. Die war kein Fehlkauf, aber eine Verwechslung. Eigentlich wollte ich „Michał Urbaniak’s Group – Live Recording“ und nicht „Michał Urbaniak Constellation – In Concert“. Hatte aber kein Cover vor Augen und deshalb nahm ich dann die mit. Geärgert habe ich mich nicht, denn Besetzung verheißt schon Mal viel Gutes und als ich wieder Zuhause war und sie auflegte, bestätigte sich das gute Gefühl.
Hey Joe
Złota 8, 00-019 Warszawa
Wow, was für ein Laden. Da wollte ich schon am ersten Tag hin, da machten die aber gerade zu. Ein sehr schmaler, dafür scheinbar ewig langer Laden, wo die Platten in hohen Regalen bis unter die Decke stehen. Was das einfach mal so schauen recht schwer macht. Teilweise muss da dann nämlich auf Leitern hoch. Das Allermeiste ist gebraucht. Zumindest war das beim polnischen Jazz so. Da könnte man stunden- nein, tagelang wühlen. Leider auch hier recht alles recht hochpreisig und teilweise in Euro ausgezeichnet. Der nette junge Verkäufer erklärte dies damit, dass man wohl mit jemanden aus den Niederlanden zusammenarbeitet (oder dort auf die Börse fährt), da wäre es dann einfacher die Preise gleich in Euro zu haben. Einige Platten waren mehr als doppelt so teuer, als wie bei Muzant (wenn auch vom Cover etwas besser erhalten). Mit Jazz hatten sie es nicht ganz so, der junge Verkäufer war mehr in der Hardcore-Punk und Metal-Szene. Als ich da war, kamen drei Touristen (ich denke mal aus den USA) rein, die sich nach Death Metal und eben harten Punk erkundigten. Da auf Englisch, konnte ich von dem Gespräch alles verstehen. Der Verkäufer war da sehr kundig und organisierte einem von denen dann eine Tape der Band seines Kumpels. Auch so war das von mir mäuschenhaft erlauschte Gespräch recht interessant. Aufgrund der Preise – und weil ich wusste, dass ich das teilweise bei Muzant auch sehr viel günstiger bekommen kann – wurde es dann nur eine Platte.
Noch einmal Muzant
Da ich bei Hey Joe nicht so fündig geworden bin, wie ich hoffte, bin ich noch einmal zu Muzant rüber. Auch weil ich jetzt besser vorbereitet war, wusste, was die so hatten und am Laptop „vor gehört“ hatte. War wieder nett da. Der ältere Herr am Tresen freut sich immer, wenn ein Ausländer polnischen Jazz kauft und brummt dann immer anerkennend. Sowas mag ich ja immer sehr gerne. Zu den gekauften Platten etwas Trivia. Sowohl die „Heavy Metal Sextet“ als auch die mit „Biały Kruk Czarnego Krążka“ betitelte Platte sind recht speziell. „Biały Kruk Czarnego Krążka“ heißt „Weißer Rabe Schwarzer Kreis“ und ich zitiere mal Discogs: „The Polish Jazz Association Record Club „Biały Kruk Czarnego Krążka“ (BKCK), and later the „POLJAZZ“ Record Publishing House, was established in July 1972. After completing the membership declaration and paying the dues, Record Club members received 1 vinyl record quarterly as part of the club series, and could additionally subscribe to special edition records, the so-called subscriptions issued occasionally.“ „Weißer Rabe“ ist in Poland der Ausdruck für etwas sehr seltenes. Alle diese Platten sehen vollkommen identisch aus, welche drin steckt ist manchmal auf der Rückseite zu sehen, manchmal aber auch nur auf dem Label der Platte. Hier handelt es sich um „Wojciech Karolak / Michał Urbaniak / Czesław Bartkowski – Podróż Na Południe – Moving South“. Heavy Metal Sextett ist auf Pronit erschienen und auch das ist interessant: „Pronit (Zakłady Tworzyw Sztucznych Pronit-Pionki (ZTS Pronit)) is a Polish factory of plastic materials near the town of Pionki, Radom County. Among its specialties, it includes the factory of vinyl record plates, and thus is mostly known as the original Polish record label.“ Da gibt es auch rund ein halbes Dutzend Platten mit genau dem gleich Cover (die Saxofone auf blauem Grund), die man nur durch den Namen der Band unten rechts auseinander halten kann. Was es damit auf sich hat, muss ich noch eruieren. Die „Time Killers“ war übrigens die Platte, für die „Hey Joe“ 129 Zloty haben wollte, die ich bei Muzant für 60 Zloty bekommen habe. Wie man sieht, ist das Cover sehr mitgenommen, aber das Vinyl selber sieht gut aus.
Ansonsten war ich noch bei Empik, wo ich früher immer viel, viel Geld für DVDs und CDs gelassen habe. Das war diesmal eher traurig. Für polnischen Jazz gab es früher eine eigene Rubrik mit vielen Regalmetern. Beim ersten Empik im Outlet Center Factory Annopol (Annopol 2, 03-236 Warszawa), war ein bisschen was unter Sonderangeboten und eine Handvoll unter polnischer Musik generell einsortiert.
Im zweiten Empik im Shopping Center „Arkadia“ (al. Jana Pawła II 82, 00-175 Warszawa) bin ich vor zwei Jahren noch einigermaßen gut fündig geworden. Aber auch das war einmal. DVDs gab es so gut wie gar nicht mehr und der polnische Jazz steht jetzt generell unter „Jazz“ (auch hier gibt es keine wirklich große Auswahl mehr) und macht da vielleicht 30% aus. Da gibt es dann auch das, was es auch im Outlet gab, einige Neuheiten, aber dann gleich x mal dieselbe CD. Was mich aber freute: Die CD von Marek Napiórkowski, denn den hatte ich einige Tage zuvor bei einem Free Concert auf dem Altstadtplatz in Warschau gesehen – mit einer echten Allstar Band.
Das war es. Auf dem Rückweg machten wir Station im Görlitz, wo ich das (((Schall)))Haus besuchte. Davon aber an anderer Stelle mehr.