Mit meinen Eltern hatte ich mich eigentlich nie wirklich auf eine gemeinsame Schnittstelle einigen können, was unseren Musikgeschmack anging. Das war in der Regel auch gar kein Thema Zuhause. Ich hatte früh angefangen Musik vom Radio auf Kassette aufzunehmen (Radio Bremen 1 – Die Hansawelle). Und später hatte ich dann, wie bereits geschrieben, Elvis für mich entdeckt. Okay, da gab es dann ein Konsens, wenngleich auch der King für meine Eltern eher egal war. Eigentlich habe ich da immer so mein eigenes musikalisches Ding zusammengezimmert ohne großen Einfluss durch das Elternhaus.
Es gibt aber eine Platte, auf die mich mein Vater brachte und bei der seine ungewöhnliche Begeisterung auf mich abfärbte. Diese eine Platte, auf die wir uns Beide ohne wenn und aber einigen konnten. Die für mich vielleicht gerade deshalb viel bedeutet. Und bei der ich ihn immer sehe, wie er damals am Wohnzimmertisch saß und mir erklärte, worum es im Titellied „Bat Out of Hell“ geht. Wie die Musik den Text unterstützt. Und wie er „Paradise By the Dashboard Light“ mitsprach.


Wie er auf Meat Loaf gekommen, kann ich scheinbar doch nicht mehr so gut erinnern, wie ich dachte, bevor ich etwas recherchiert hatte, um diesen Text hier zu schreiben. Ich war der Meinung, dass er in ihn einer Musiksendung (ich meinte immer, es sei der „Musikladen“ gewesen, aber in der Episodenliste auf Wiki findet sich dazu nichts) das Musikvideo zu „Dead Ring (For Love)“ gesehen hatte. Mittlerweile glaube ich aber, das habe ich dann später irgendwo mit ihm gesehen und deshalb das durcheinandergebracht.
Ich weiß aber noch, wie er begeistert von dem kräftigen Mann mit der starken Stimme und einem sehr exzentrischen und energiegeladenen Auftritt sprach, den er am Vorabend im Fernsehen gesehen hatte. Gerade von seiner Performance mit seiner Co-Sängerin. Weshalb ich heute vermute, es war der Rockpalast-Auftritt von 1978 gewesen, was dann sehr viel früher ist, als ich es erinnerte.
Wobei – mein Vater und der Rockpalast, das sind zwei Dinge, die so in meinem Kopf nicht zusammengehen. Aber da wir nie viel über Musik gesprochen haben, und ich mich auch nicht an ihn in seinen jungen Jahren erinnere, bzw. das damals als Kind auch nicht wahrgenommen habe, wie er zu Musik stand. Ich hatte nie das Gefühl, die wäre ihm besonders wichtig gewesen. Andererseits weiß ich, dass er als Teenie versucht hat, sich selber das Gitarrenspielen beizubringen. Und in seinen letzten Jahren, war er ein glühender Bewunderer von niemand anderem als: Pink! Starke Stimmen zusammen mit einer sehr starken Persönlichkeit und Körperlichkeit – das war so seins. Auf Sänger*innen, die dies beides nicht vereinten, blickte er schon sehr verächtlich herab.
Ich kann auch nicht sagen, von wann die Platte ist, die wir bei uns Zuhause hatten, und die in den 80ern dann zu mir ins Kinderzimmer gewandert ist. Discogs sagt, es sein Repress aus UK – aber nicht von wann. Gekauft wurde sie bei Barlage, wie das noch vorhandene Preisschild sagt. Für 17,90 DM. Auch hier dachte ich, es wäre bei Karstadt, und ich wäre dabei gewesen. Somit scheinen meine geglaubten Erinnerungen fast alle falsch zu sein. Nicht falsch sind aber die beschriebenen Wohnzimmergespräche und seine ansteckende Begeisterung.
Kurz – auch ich fing an diese Platte zu lieben und tue es tatsächlich noch heute. Seit vielen, vielen Jahren kehrt sie immer wieder auf meinen Plattenteller zurück. Als ich auszog und die Platte mitnahm, schenkte ich meinem Vater die CD. Da war der Plattenspieler im elterlichen Haus schon lange abgebaut. Und als die CD-Produktion ihren Höhenflug hatte und der eigene Plattenspieler verstaubte, da kaufte ich mir selber auch noch einmal die CD. Heute ist es „natürlich“ wieder das Vinyl, welches mir immer wieder Freude bereitet und mich an meinen mittlerweile verstorbenen Vater erinnert.


PS: Das Cover der LP strahlte schon immer eine unheimliche Faszination auf mich aus. Erst sehr spät habe ich entdeckt, dass es von Richard Corben stammt, der in meiner Comic-Sozialisation keine kleine Rolle spielte und zusammen mit Bernie Wrightson zu meinen Lieblingszeichnern gehört. Und wer hat das Cover zum „Bat Out of Hell“-Nachfolger „Dead Ringer“ gezeichnet? Ja, das war Bernie – wie ich erst kürzlich realisierte. So schließt sich auch dieser Kreis.