In dem sehr empfehlenswerten Internet-Filmforum deliria-italiano.de gab es im Sommer einen Off-topic-Faden namens „Top 20 – Die herzallerliebsten zwanzig Musikalben“. Ich hatte lange mit mir gerungen, ob ich dort mitmache. Erstens, weil ich Listen spannend als Inspiration finde, aber gleichzeitig immer zu kurz gefasst finde, da sich der Musikgeschmack immer ändert. Zweitens man für jedes erwähntes Album mindestens drei vergessen hat, die vielleicht mehr wert wären, sie zu erwähnen. Und drittens man immer in die Versuchung gerät Alben zu erwähnen, die man vielleicht nicht liebt, die sich aber in so einer Liste gut machen.
Ich bin dann einen anderen Weg gegangen- Ich hatte keine „Top 20“ gemacht, sondern Alben aufgelistet, die irgendwann in meinem Leben mal sehr wichtig für mich waren. Ob ich die alle heute noch so sehr liebe – nicht alle. Aber sie waren eben mal irgendwann, aus welchen Gründen auch immer, für mich sehr wichtig.
Hier möchte ich diese Liste wieder aufgreifen, aber nicht einfach Titel runter schreiben, sondern auch immer die Geschichte dahinter und weshalb gerade diese Platten (oder später CDs) für mich so wichtig waren. Den Auftakt macht eine Scheibe, die gar nicht mir gehörte – dann aber später in meine Sammlung gewandert ist: Die Compilation „Elvis Forever“.
Das erste Mal bewusst von Elvis muss ich 1977 gehört haben. Denn ich erinnere mich noch gut an die Berichterstattung zu seinem Tod. Ich weiß auch noch, dass wir damals in unserem Wochenendhaus waren und dies auf einem winzigen Schwarz-weiß-Fernseher gesehen haben, der mit einer Autobatterie betrieben wurde.
Später hatte ich in der 7. Klasse einen riesigen Elvis-Fan als Mitschüler und Freund. Er war – wenn ich mich richtig entsinne – in der Mitte des Schuljahres zu uns gekommen, nachdem er mit seiner Familie aus der DDR ausgereist war. Das muss 1984 gewesen sein. Und die Plattenabteilungen hier „im Westen“ war ein Traum für ihn. Durch ihn bin ich wieder auf Elvis aufmerksam geworden, und ich erinnerte mich, dass in dem Plattenschrank meiner Eltern eine Elvis-Platte stand. Eben die „Elvis Forever“. Interessanterweise eine italienische Ausgabe von 1975.
Wie die dahin gekommen ist, weiß ich nicht. Wir waren Ende der 70ern in Italien im Urlaub gewesen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass meine Eltern dort eine Schallplatte gekauft haben. Vor allem, da sie beide keine großen Plattenkäufer waren. Wie dem auch sei: Die Platte lief dann bei mir in Dauerrotation. Wieder und immer wieder. Und der Elvis-Floh hatte auch mich gebissen.
Bald schon kaufte ich mir meine erste eigene Elvis-Platte: „Elvis – 32 Film-Hits“. Diese war anlässlich einer Reihe von Elvis-Filmen, die über den Sommer im ZDF liefen (und die ich alle sah) von der „Bild am Sonntag“ herausgebracht worden. Ich kaufte sie in einem Supermarkt in Ritterhude, als wir mal wieder in unserem Wochenendhaus den Sommer verbrachten. Kurz danach wanderten noch „Elvis Forever Vol. 2“ und „Elvis Forever Vol. 3“ zu der Platte meiner Eltern, welche mittlerweile in meinem Zimmer stand.
Für die nächsten Monate gab es nur noch Elvis für mich. Ich verschlang Biographien, schaute alles, was im Fernsehen über ihn lief. Und das war dann 1985 anlässlich seines 50. Geburtstags sehr viel. Zeitgleich fand auch ein großes 50er-Jahre-Revival statt. Neben Elvis hörte ich noch Jerry Lee Lewis und kaufte später Compilations von Buddy Holly, Eddie Cochran und Gene Vincent.
Aber Elvis blieb mein König. Und mein Taschengeld wanderte mit schöner Regelmäßigkeit in die Plattenabteilung von Karstadt, die dort damals im Keller war. Dort kosteten die Platten in der Regel 10 DM. Wenn ich nach Geburtstag oder Weihnachten genug Geld übrig hatte, dann biss ich die Zähne zusammen und kaufte mir auch eine der „teuren“ Platten, die 17,95 DM kosteten. Die Klassiker aus den 50er Jahren (wie Elvis‘ Debüt bei RCA oder die „Golden Recods“-Reihe) fehlen mir allerdings bis heute, da ich die Songs alle schon durch die Compilations Zuhause hatte. Vielleicht hole ich die aber mal nach, wenn ich sie mal irgendwo preisgünstig sehe.
So viele Elvis-Platten wie mein Schulkamerad hatte ich nie. Der hatte auch unzählige Bootlegs mit ganzen Aufnahme-Sessions. Einmal waren wir gemeinsam in Bremen in einem „Geschäft“ im Steintor. Das war eigentlich nur ein großer Keller in einem normalen Wohnhaus, wo man nur zu bestimmten Zeit hin konnte und dann auch vorher klingen musste. Da gab es unglaublich viele Elvis-Platten, die ich nie zuvor gesehen hatte. Das hatte aber auch seinen Preise, und ich erinnere mich, dass zumindest ich ohne Einkauf wieder rausging. Trotzdem hatte ich irgendwann auch eine kleine Sammlung, auf die ich sehr stolz war und noch heute bin.
Um 1986 herum war dann das Elvis-Fieber abgeklungen. Zwar hing noch lange das Filmplakat von „Café Europa“ (G.I. Blues) bei mir im Zimmer. Doch mittlerweile war ich an Musik härterer Gangart interessiert. Elvis hatte noch lange einen großen Platz in meinem Herzen, aber dann schwand das Interesse. 2002 und 2003 kaufte ich noch auf CD die damals recht erfolgreichen Compilations „ELV1S 30 #1 Hits“ und „Elvis 2nd to None“.
Aber auf die Idee, meine Vinylsammlung auf CD „upzudaten“ (wie ich es bei anderen Platten tat), kam mir nie. Mittlerweile ist mein Klassenkamerad vor ein paar Jahren viel zu früh verstorben. Immer, wenn mir Elvis in den Sinn kommt oder ich einen Elvis-Song höre, muss ich an ihn denken. Vielleicht sollte ich meine Platten mal wieder auflegen. Ich habe sie viel zu lange nicht mehr gehört, obwohl sie mir noch immer in den Ohren klingen.